Alles neu! Mit diesem Motto bestritt die Honda Racing Corporation das vergangene MotoGP-Rennwochenende und den anschließenden Testtag in Jerez. Bereits am Trainingsfreitag hatten die Japaner ein völlig neues Motorrad präsentiert, mit welchem Testfahrer Stefan Bradl seinen ersten Wildcard-Einsatz der Saison 2024 absolvierte. Der Deutsche unterzog den Prototypen einem ersten Härtetest, ehe seine zwei Bikes am Montag schließlich ins LCR-Lager wanderten, um auch dort ausgetestet zu werden. Die Werkspiloten hatten sich bereits eine Woche zuvor bei einem Privattest in Barcelona einen Eindruck verschafft. Das Fazit fiel bei allen Fahrern identisch aus - und zwar wenig erfreulich. Sie waren sich am Montagabend einig: Der neue Prototyp ist Schrott!

"Ich konnte heute morgen einige Runden mit dem neuen Motorrad fahren. Leider habe ich dabei nichts Positives gespürt. Aero, Chassis und alles waren verschieden, aber das Gefühl auf der Strecke blieb mehr oder weniger gleich", bilanzierte etwa LCR-Honda-Pilot Takaaki Nakagami am Montagabend nach Testende. "Wir haben die identischen Probleme: Fehlender Grip am Heck und schlechtes Turning. Das Gefühl ist gleich und die Rundenzeit kommt nicht. Wir haben mit jedem Outing ein paar kleine Dinge verändert und ausprobiert, aber die Probleme sind einfach zu groß."

Johann Zarco: Rundenzeiten mit neuem Bike noch schlechter!

Wenige Minuten zuvor hatte Teamkollege Johann Zarco in seiner Medienrunde beinahe wortgleiche Aussagen getätigt: "Ich habe es ausprobiert und bin ein paar Runs damit gefahren, ich konnte aber ein positives Feedback geben. Es war nur in einem Bereich besser, die Rundenzeit jedoch deutlich schlechter. Mit diesem Bike ist uns also kein Fortschritt gelungen." Von der erhofften Trendwende ist im Honda-Lager also weiterhin keine Spur. Dennoch will der Franzose den Jerez-Test nicht als Fehlschlag gelten lassen: "Ich hätte mir mit diesem neuen Motorrad in diesem Test einen größeren Schritt erhofft, habe ihn aber nicht bekommen. Aber das ist kein Drama, denn mir ist mit meinem anderen Motorrad von diesem Wochenende ein Fortschritt gelungen. Ich war näher an den anderen [der Konkurrenz, Anm.] dran und bin zuversichtlich, jetzt wieder aus eigener Kraft um Punkte kämpfen zu können."

Tatsächlich hatten sich die Honda-Stammfahrer nach ihrem Austin-Desaster in Jerez rehabilitiert und insgesamt sieben WM-Punkte gesammelt, die geteilt beste Ausbeute der bisherigen Saison. Sämtliche Zähler konnten jedoch mit dem 'alten' Motorrad eingefahren werden, Stefan Bradl blieb mit dem neuen Prototypen ohne Zähler. Damit ist spätestens auch nach dem Jerez-Test klar, dass dieses neue Motorrad zu keinen weiteren Renneinsätzen mehr kommen wird. Im Gegenteil: Das Konzept wird verworfen, der Fokus liegt wieder auf dem bisherigen Bike. "Wir haben dann an meinem anderen Motorrad gearbeitet, welches ich am Wochenende eingesetzt habe", sagt Zarco stellvertretend.

Johann Zarco drehte in Jerez einige Runden auf dem neuen Honda-Prototypen, Foto: Tobias Linke
Johann Zarco drehte in Jerez einige Runden auf dem neuen Honda-Prototypen, Foto: Tobias Linke

Joan Mir: Honda-Fokus wieder auf bisherigem 2024er-Bike

Im Repsol-Honda-Werksteam war Joan Mir bereits beim Privattest in Barcelona vor anderthalb Wochen zu diesem Entschluss gekommen. Der MotoGP-Weltmeister von 2020 konzentierte sich deshalb bereits im Jerez-Test völlig die Weiterentwicklung des bisherigen 2024er-Modells. "Ich habe das Bike von Stefan schon in Montmelo [Spanische Gemeinde neben dem Circuit de Barcelona-Catalunya, Anm.] ausprobiert. Es gab einige positive und negative Aspekte, aber nichts Weltbewegendes", erklärt er und sagt deshalb: "Das ist nicht die korrekte Richtung für die Zukunft. Das Bike von Stefan ist nicht das Bike, das wir in Zukunft weiterentwickeln werden."

Den achtstündigen Testtag in Jerez nutzte Mir, um ein neues Motorensetting auszuprobieren. Das Resultat war Platz 21 mit 1,379 Sekunden Rückstand. "Der Tag war positiver als ihr sehen könnt", lässt sich der Spanier vom Blick auf das Zeitentableaut jedoch nicht abschrecken. " Wir haben ein anderes System, ein anderes Konzept ausprobiert. Das hat gut funktioniert und ist, denke ich, die Richtung, in die ich in Zukunft gehen möchte. Wir müssen diese Richtung noch entwickeln, aber ich denke, dass sie viel Potenzial hat - nicht jetzt sofort, aber in Zukunft."