Die Jaguar-Festspiele gehen weiter: Nick Cassidy hat ein irres erstes Rennen der Formel E in Berlin an diesem Wochenende gewonnen und sicherte sich zudem den Punkt für die schnellste Rennrunde in den Top-10. Der Jaguar-Pilot setzte sich, von Platz neun gestartet, gegen Jean-Eric Vergne im DS Penske durch. Oliver Rowland (Nissan) komplettierte nach Start von Position 15 das Podest.

Für Cassidy ist es der siebte Sieg in seinem 56. Start in der Elektro-WM und der zweite im Jahr 2024. Das Jaguar-Werksteam feiert nach dem Doppelerfolg in Monaco seinen zweiten Sieg in Folge. Vergne steht zum 35. Mal auf einem Formel-E-Podest, Rowland kann sich über sein elftes Podium freuen, von denen der Brite fünf in der Saison 2024 sammelte. Für Vergne ist es außerdem sein siebtes Podest in Berlin, womit der Franzose nun gemeinsam mit Sebastien Buemi und Lucas Di Grassi Rekordhalter ist.

Formel E Berlin I 2024: Highlights und Zusammenfassung (08:34 Min.)

Cassidy mit extremer Energiespar-Strategie zum Sieg

Cassidy machte von einer cleveren Energiespar-Strategie Gebrauch, bis zur 37. von schlussendlich 46 Runden lag der Neuseeländer nicht einmal in den Top-10. Anschließend arbeitete sich Cassidy schnell nach vorne, übernahm in Runde 43 die Führung und hatte zu diesem Zeitpunkt rund zwei Prozent mehr Rest-Energie als die direkte Konkurrenz. Anschließend setzte er sich deutlich vom restlichen Feld ab und überquerte die Ziellinie mit 4,651 Sekunden Vorsprung auf Vergne.

"Das war verrückt", hielt ein zufriedener Cassidy nach Rennende fest. "Es ist super für das Team, sie waren fehlerlos. Die ganze Kommunikation und Strategie war perfekt. Ich hatte heute ehrlich gesagt nicht das Auto, um zu gewinnen, aber irgendwie habe ich es geschafft." Mit der ungewöhnlichen Strategie überraschte Jaguar auch die Konkurrenz, wie der Zweitplatzierte Vergne verriet: "Ich dachte, ich hätte den Sieg in der Tasche, aber wir haben Nick nicht kommen sehen."

Mit seinem Berlin-Triumph wiederholt Cassidy seinen Vorjahres-Erfolg. 2023 hatte sich der 29-Jährige im Sonntagsrennen zum 15. unterschiedlichen Sieger in Deutschlands Hauptstadt gekürt und wiederholte nun als erst dritter Fahrer unmittelbar seinen Erfolg. Die anderen Piloten, denen dieses Kunststück gelang waren Sebastien Buemi (2016/2017) und Antonio Felix da Costa, der bei den durch die Corona-Pandemie bedingten sechs Rennen 2020 zwei Läufe in Folge für sich entschied. Mit dem Sieg übernimmt Cassidy zudem die WM-Führung und liegt nun neun Punkte vor Pascal Wehrlein in Front.

Energiespar-Schlacht sorgt für Chaos

Hinter den Top-3 sortierten sich Cassidy-Teamkollege Mitch Evans, der in den Schlussrunden von seinem Landsmann übertrumpft wurde und Porsche-Werksfahrer Pascal Wehrlein ein. Die Piloten an der Spitze lieferten sich das gesamte Rennen über einen verrückten und engen Kampf, wobei oftmals mehrere Autos nebeneinander die Kurven durchfuhren. Wie erwartet war das Rennen in Berlin eine sogenannte Energiespar-Schlacht, sodass sich die Fahrer oftmals kampflos vorbeiwinkten und die Führung wild hin und her wechselte.

Auf Platz sechs und sieben folgten Wehrlein-Teamkollege Antonio Felix da Costa und Stoffel Vandoorne im zweiten DS Penske. Der von Platz zwei gestartete Vandoorne war zuvor nach einer Kollision zwischen Abt-Cupra-Pilot Lucas Di Grassi und Dan Ticktum weit zurückgeworfen worden, kämpfte sich jedoch zurück.

Maximilian Günther scheidet nach Unfall vorzeitig aus

Pole-Setter Edoardo Mortara (Mahindra), Rowland-Teamkollege Sacha Fenestraz und Taylor Barnard (McLaren-Nissan) komplettierten die Top-10. Fenestraz muss sich jedoch nach dem Rennen den Stewards aufgrund einer Kollision mit Debütant Paul Aron (Envision-Jaguar) stellen. Der 24-Jährige entging jedoch einer Strafe. Für Barnard, der auch an diesem Wochenende den mit einem Knochenbruch verhinderten Sam Bird ersetzt, ist es der erste Punkt in der Formel E.

Lokalmatador Maximilian Günther beendete sein erstes Heimrennen an diesem Wochenende in der Mauer. Der Allgäuer berührte auf Platz acht liegend ausgangs von Kurve 2 das Heck von Mortara, wobei sich Günthers Frontflügel unter seinem Maserati-DS verfing. Daraufhin hatte Günther keine Kontrolle mehr über sein Fahrzeug und bog in die Mauer ab, wobei er noch einen weiteren Kontakt mit dem McLaren-Nissan von Jake Hughes verzeichnete. Der Vorfall löste in Runde 30 das zweite Safety-Car des Rennens aus.

Für die erste Safety-Car-Phase des Rennens sorgte in der elften Runde Joel Eriksson (Envision-Jaguar), der ausgangs von Kurve 4 stehen blieb. Vor dem Safety-Car war in Runde zehn eine Full-Course-Yellow-Phase ausgerufen worden, die aufgrund der dicht nebeneinanderfahrenden Boliden für Verwirrung sorgte. Rennleiter Scot Elkins orderte schließlich an, dass der zu diesem Zeitpunkt auf Platz zwei liegende Vandoorne Wehrlein vorbeilassen musste. Ebenso orderte er einen Platztausch zwischen Lucas Di Grassi und Oliver Rowland sowie zwischen Kelvin van der Linde und Paul Aron an.

Abt-Pleite nach zahlreichen Kontakten

Für das deutsche Team Abt-Cupra lief das Rennen nicht wie erhofft. Der von Platz sieben gestartete Lucas Di Grassi wurde in der 21. Runde in Kurve 7 von ERT-Pilot Dan Ticktum gedreht. Di Grassi kehrte an die Box zurück und beendete das Rennen vorzeitig. Für den Zwischenfall wurde Ticktum von den Stewards nachträglich mit einer 5-Sekunden-Zeitstrafe belegt.

Teamkollege Kelvin van der Linde, der an diesem Wochenende Stammfahrer Nico Müller ersetzt, ging ebenso leer aus. In dem Chaos hatte sich der Südafrikaner bis auf Platz neun vorgearbeitet, musste jedoch während des Günther-Safety-Cars in Runde 30 mit einem Frontflügelschaden an die Box kommen. Diesen hatte sich van der Linde bei einem Kontakt mit Fenestraz zugezogen. Dennoch gelang es dem DTM-Rennsieger sich bis wenige Runden vor Schluss erneut in die Top-10 vorzuarbeiten. Doch schlussendlich verpasste van der Linde als Elfter seinen ersten Formel-E-Punkt nur um 0,489 Sekunden. Van der Linde sah sich nach Rennende ebenfalls einer Untersuchung durch die Rennleitung für eine Kollision mit Norman Nato (Andretti-Porsche) ausgesetzt, kam jedoch wie Fenestraz ohne Strafe davon.

An diesem Wochenende fehlen neben Müller vier weitere Formel-E-Stammfahrer. Sam Bird (McLaren-Nissan) fehlt nach seinem vor zwei Wochen im Monaco-Training zugezogenen Handbruch weiterhin und wird erneut von Taylor Barnard vertreten. Zudem starten mit Müller vier etatmäßige Piloten heute beim WEC-Rennen in Spa.

Können derartige Terminkollisionen in Zukunft vermieden werden? Zumindest für die langfristige Zukunft zeigte sich Formel-E-Mitgründer Alberto Longo am Freitag in Berlin pessimistisch. Alle Details lest Ihr in diesem Artikel:

Weltmeister Dennis und Günther-Teamkollege mit spätem Drama

Der amtierende Weltmeister Jake Dennis (Andretti-Porsche) erlebte im ersten Berlin-Rennen eine Achterbahn der Gefühle. Von Platz 20 arbeitete sich Dennis bis zwischenzeitlich auf Platz vier vor, bevor er sich in Runde 36 in Kurve 5 schwer verbremste und mehrere Positionen verlor. Wenige Runden später musste der Brite dann auch noch mit einem Reifenschaden an die Box kommen und das Rennen vorzeitig beenden. Das selbe Schicksal hatte früher im Rennen schon seinen Teamkollegen Nato ereilt, der 18. wurde.

Auch Günther-Teamkollege Jehan Daruvala erlebte ein bitteres Rennen. Der Inder war vor dem Rennen aufgrund des zweimaligen Wechselns des Getriebes am Heck mit zwei Strafversetzungen um 20 Positionen belegt worden und musste deswegen im Rennen auch noch eine 10-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe absitzen. Dennoch arbeitete sich Daruvala in die Punkteränge vor. Doch in Runde 41 kam der 25-Jährige in Kurve 9 nach einem Kontakt mit Fenestraz von der Strecke ab und kam mit mehr als einer Runde Rückstand auf P17 ins Ziel.

Formel E 2024: So geht es weiter

Bereits morgen findet um 15:04 Uhr das zweite Rennen in Berlin statt, für welches jedoch nur 38 Rennrunden angesetzt sind und damit zwei weniger als am Samstag. Der deutsche TV-Sender DF1 zeigt den Berlin ePrix live im Free-TV. In Österreich strahlt der Privatsender ServusTV die Rennen der Elektro-Weltmeisterschaft aus. 2024 stehen 16 Rennen an zehn Rennwochenenden im Rennkalender.

Formel E 2024: Tabelle nach 9/16 Rennen

Pos.FahrerTeamPunkte
1Nick CassidyJaguar121
2Pascal WehrleinPorsche112
3Oliver RowlandNissan103
4Jake DennisAndretti-Porsche89
5Mitch EvansJaguar89